Die heute allseits diskutierten Veränderungen des Geschäftsumfeld der deutschen und europäischen Raumfahrtunternehmen lassen Entwicklungen möglich erscheinen, die über innovative Techniken und Fertigungsverfahren auch Firmenstrukturen, -prozesse und Geschäftsmodelle beeinflussen werden. Disruption ist mehr als nur ein Schlagwort. Die erkennbaren Trends fokussieren sich heute auf Entwicklungen rund um die Digitalisierung und zielen auf technische Innovationen. Die Implikationen für die Märkte sind jedoch eher undeutlich und verunsichern Anbieter, Betreiber und Abnehmer. Was erwartet der Kunde von morgen? Wie verändert sich das Angebotsportfolio der Industrie? Welche Rolle spielt der Gesetzgeber? Welche Innovationen haben die Kraft für massive Veränderungen?
Selbst für erfahrene und im Markt gut positionierte Systemanbieter stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die Einführung neuer Fertigungstechniken für den Satelliten- oder den Raumfahrzeugentwurf haben kann. ALM- bzw. 3-D-Druckverfahren finden auch hier zunehmend Anwendung Neue Materialien sowie die Möglichkeit elektronische Elemente in bzw. auf Strukturbauteile zu drucken werden Optionen öffnen, die das Design und die die Integration völlig verändern. Werden zudem in absehbarer Zeit Systembauteile auf der Raumstation d.h. in der Schwerelosigkeit gefertigt (wie bereits heute durch Made-in-Space auf der Internationalen Raumstation), so unterliegen diese nicht mehr den Belastungen des Startvorgangs – und können damit in Sachen Entwurf … und in der Konsequenz auch in der Fertigung, der Montage und im Betrieb neue Kapitel aufschlagen.
Ein wichtiger Gesichtspunkt wird dabei den zukünftigen industriellen Strukturen gelten, wobei anzunehmen ist, dass sich die mit dem Thema Industrie 4.0 verbundenen Innovationen durch klare Verlagerungen der Wertschöpfung zwischen OEM und Zulieferern äußern werden. Beispielsweise gehen Experten davon aus, dass das erforderliche Spezialwissen rund um das Pulverbettverfahren (SLS Selective Laser Sintering, etc.) Systemfirmen zur Anpassung Ihres Portfolios zwingen wird. Die Geometriefreiheit, die hohe Fertigungsgenauigkeit (ohne Nacharbeiten) und die kreative Materialwahl, welche es ermöglichen wird, Dichte, Plastizität, Temperaturempfindlichkeit usw. eines Bauteils den Betriebsbedingungen optimal anzupassen, legen den Gedanken nahe, dass sich hier eine neue, komplexe Branche mit hochspezialisierten Kompetenzen entwickeln wird. Vorstellbar ist u.a. dass die Firmen dieser Branche den Systementwurf eines OEMs „drucktechnisch“ umsetzen, wobei sich die Gestaltung der Komponenten eher aus dem Fertigungsverfahren und weniger aus den Montageanforderungen ergeben und somit den „Zulieferer“ zu einem neuen Systemanbieter werden lässt.
Begreifen wir den Wandel als Chance, so kreiert die Innovation aus dem Fertigungssektor nicht nur neue Forschungsbereiche wie z.B. in der Materialentwicklung, sondern auch preiswerte und genauere technische Verfahren. Die Veränderungen treffen alle Branchen und lassen neue entstehen, z.B. hochspezialisierte 3-D-Druckmaschinenhersteller, ein breites Spektrum von Bauteileproduzenten die den OEMs „Systeme“ zuliefern und letztlich Systemanbieter, deren Integrations-und Fertigungsportfolio stark reduziert werden kann. Zur Zukunftssicherung werden sich solche OEMs nach neuen Geschäftsfeldern umschauen müssen und evtl. entlang der Wertschöpfungskette Aufgaben im Betrieb übernehmen. Die Automobilbranche hat erste Schritte in diese Richtung schon mit Car2Go (Smart), DriveNow (BMW) etc. unternommen.
Die Zukunft wird nicht unbedingt besser. Sie wird anders. Es gibt keinen Grund sich vor den Wandel zu fürchten. In ihm liegen unbekannte Chancen auch für den Wirtschaftsstandort D und seine industrielle Strukturen.